Hochwasserkatastrophe am 1. Juni 2016 in Simbach a. Inn


 

„Innenstadt überschwemmt, Zerstörungen biblischen Ausmaßes“ Mehr als 400 Gebäude überflutet, fünf Todesopfer zu beklagen.

Einleitung
Am Unterlauf des Flusses Inn, einem der längsten und mächtigsten Alpenflüsse, liegt die niederbayerische Grenzstadt Simbach a. Inn. Die Innbrücke verbindet Simbach a. Inn mit der oberösterreichischen Stadt Braunau am Inn. Simbach a. Inn gehört als kreisangehörige Stadt zum Landkreis Rottal-Inn. Die Stadt mit seinen knapp 10.000 Einwohnern ist der zentrale Ort der Inntalgemeinden des südlichen Landkreises und bildet mit Braunau ein „grenzüberschreitendes Mittelzentrum“ der Region.

Geographische Lage
Das Stadtgebiet erstreckt sich auf einer Fläche von 47,38 km² und liegt 346 m über N. N. Der Schellenberg stellt mit 549 m über N. N. die höchste Erhebung dar. Aus dem nördlich gelegenen bewaldeten Höhen fließen drei bis zu 10 km lange Bäche Richtung Simbach und vereinigen kurz vor der Innenstadt zum Simbach, einem Gewässer 3. Ordnung, der jedoch als Wildbach eingestuft ist. Das Einzugsgebiet des Simbach, also die Fläche aus dem der Simbach sein Wasser bekommt, erstreckt sich auf etwa 36 km².

Bild 1: Stadt Simbach a. Inn

Wetterereignis am 1. Juni 2016
In Niederbayern entwickelte sich aus der Nacht heraus eine Gewitterlinie, die sich kaum verlagerte und extreme Niederschläge im Grenzbereich zu Österreich brachte. Im Einzugsgebiet des Simbach blieb diese mit extrem viel Wasser aufgeladene „Mega-Zelle“ über Stunden nahezu „ortsfest“ stehen und regnete innerhalb weniger Stunden etwa 160 Liter Wasser auf einen Quadratmeter ab.

Alarmierung
Die erste Alarmierung der Simbacher Feuerwehr erfolgte um 8:40 Uhr. Vor einer Brücke über den Simbach hatten sich Bäume und Äste angesammelt, die eine Verklausung zu verursachen drohten. Diese wurden mit dem LKW- Ladekran vom Bauhof beseitigt. Aufgrund der starken Regenfälle und des ständig ansteigenden Wasserstandes erfolgten durch die Feuerwehr ab 9:53 Uhr regelmäßige Wasserstandkontrollen an drei Brücken im Innenstadtbereich. Erstmals testete hier die Simbacher Feuerwehr einen sich im Entwurfsstadium befindlichen Hochwasseralarmplan, der entsprechende Maßnahmen bei verschiedenen Pegelständen vorsah. So wurde um 10:41 Uhr, ab dem vordefinierten Wasserstand von 180 cm, Zugalarm für die Simbacher Feuerwehr sowie das THW Simbach ausgelöst, um die Abschnittsführungsstelle zu besetzen und Vorbereitungen für eine eventuelle Überflutung zu treffen. Zudem traf sich der Krisenstab bestehend aus Führungskräften der Feuerwehr Simbach, des THW OV Simbach sowie dem Bürgermeister im Feuerwehrgerätehaus. Um 11:17 Uhr, ab einem Pegelstand von 200 cm, erfolgte die Nachalarmierung der Stadtteilfeuerwehren Erlach und Kirchberg, um gemeinsam vorsorglich Sandsäcke zu füllen, an die Bevölkerung auszufahren und betroffene Straßen zu sperren.

Bild 2: Simbach auf Höhe Brücke Passauer Straße um 12.55 Uhr

Um 12:50 Uhr kam Kreisbrandmeister Johann Schachtner aus Eggenfelden nach Simbach a. Inn und übernahm ab diesem Zeitpunkt die Funktion des Örtlichen Einsatzleiters (ÖEL) nach Art. 15 BayKSG.

Bruch des Straßendammes der Straße zum Schulzentrum
Ab etwa 12:30 Uhr lief der Simbach in der Innenstadt über und verursachte erste überflutete Straßen, Keller und Tiefgaragen. Bis dahin war es für die Einsatzkräfte der Stadtfeuerwehren eine gewohnte Situation, die immer wieder mal, zuletzt 1991, 1999, 2002 und 2013, eingetreten war. Bis etwa 13 Uhr hatten sich jedoch im Ortsteil Steghäuser vor dem Straßendurchlauf der Straße zum Schulzentrum, der wie ein Staudamm wirkte, extrem große Wassermassen bis weit in die bis zu 4 km langen angrenzenden Täler Richtung Kirchberg, Antersdorf und Eggstetten aufgestaut. Diese Wassermassen überspülten schließlich den Straßendamm, rissen den Teer auf und fraßen sich rasch durch den Erd-/Kieswall, sodass eine immer größer werdende Wasser- und Schlammflut zusammen mit tausenden Kubikmeter Treibgut und mitgerissener Bäume unaufhaltsam in Richtung Innenstadt schoss.

Bild 3: Straßendamm zum Schulzentrum wird um 13:37 Uhr massiv überspült

Nach der Überflutung mit anschließendem Komplettbruch des Straßendammes zum Schulzentrum gegen 13:45 Uhr folgte eine bis dahin nicht vorstellbare, beispiellose Überflutung und Zerstörung der Simbacher Innenstadt. Als Erstes traf die Flutwelle die am Feuerwehrgerätehaus vorbeiführende, tiefer gelegene Bundesstraße B 12. Diese wurde innerhalb kürzester Zeit komplett mit Wasser gefüllt (ca. 3,5 Meter Wasserstand) und überflutete alle darin befindlichen LKWs und PKWs.

Bild 4: Bundesstraße B 12 auf Höhe Feuerwehrgerätehaus Simbach gegen 14:00 Uhr

Auf dem Weg in die Innenstadt zerstörte die reißende Flut den Damm des Simbach auf Höhe der Passauer Straße und ein zweites Mal auf Höhe der Wilhelm-Dieß-Straße im Ortsteil Kreuzberg. In der Innenstadt wurden hunderte Fahrzeuge abgetrieben, bei über 400 Gebäuden sowohl der Keller als auch das Erdgeschoss, teilweise sogar das 1. Obergeschoss überflutet. Viele hunderte Menschen wurden völlig überrascht und hatten keine Möglichkeit mehr zur Flucht. Fünf Menschen in der Simbacher Innenstadt konnten sich nicht mehr retten und ertranken in überfluteten Gebäuden. Auf dem Weg in die Innenstadt zerstörte die reißende Flut mehrere Gebäude und riss alles mit sich, was im Weg stand.

Ab diesem Zeitpunkt sahen sich alle Hilfsorganisationen mit einer noch nie dagewesenen, dramatischen Rettungsaktion konfrontiert. Waren die ersten Einsatzstichworte zunächst nur „Erkundung“, „Unwetter“ oder „Keller unter Wasser“, so änderte sich das ab 13:50 Uhr schlagartig. Nach dem Bruch des Straßendammes lauteten die Einsatzstichworte hundertfach hauptsächlich „Person in Wasser“ oder „Mehrere Personen im Wasser“. Zudem galt es weitere Alarmierungen mit Einsatzstichworten wie „B5 Brand Schule“, „Einsturz Gebäude“, „Person Stromunfall“, „VU Person eingeklemmt“, „Gasaustritt“ sowie „Technische Hilfe groß“ abzuarbeiten.

Bild 5: Die ARD zeigte in den Tagesthemen vom 1. Juni das Bild von Pressefotograf Walter Geiring, der um 14:19 Uhr vom Bahndamm aus auf die Innstraße in Blickrichtung zur Innbrücke nach Braunau fotografierte.

Einsatzablauf nach Bruch des Straßendammes
Eine der ersten Einsatzmaßnahmen war die Rettung der Personen aus der überfluteten Bundesstraße B 12. Hier wurde sofort das MZB der Simbacher Feuerwehr mit dem THW-Kran über eine Brücke gewassert und begonnen alle Personen aus den Fahrzeugen zu befreien und in Sicherheit zu bringen.

Bild 6: MZB wird mit THW-Kran von der Brücke Jakob-Weindler-Straße auf die überflutete B 12 gehoben

Aufgrund der schlimmen Lage sowohl in der Stadt Simbach a. Inn als auch den Ortschaften Triftern, Anzenkirchen und Tann im Landkreis Rottal-Inn stellte Landrat Michael Fahmüller um 14:30 Uhr den Katastrophenfall fest. Ab diesem Zeitpunkt oblag die Katastropheneinsatzleitung dem Landratsamt Rottal-Inn mit der ihr zur Seite stehenden Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK). In Simbach a. Inn koordinierte weiterhin der ÖEL die Rettungsarbeiten. Diesem unterstellt waren die jeweiligen Einsatzleiter von Feuerwehr, Wasserwacht, BRK, DLRG, THW und Polizei.

Das Stadtgebiet Simbach wurde in zwei Einsatzabschnitte (EA) unterteilt:

  • EA West mit Abschnittsleiter Zugführer Michael Jetzlsperger
  • EA Ost mit Abschnittsleiter Kommandant Markus Pilger

Alle zeitkritischen Notrufe wurden von der Integrierten Leitstelle Passau direkt per Telefon zur Abschnittsführungsstelle Simbach weitergeleitet. Vom Simbacher Feuerwehrgerätehaus erfolgte dann die Koordination der Hubschrauber mit den Wasserrettern und Weiterleitung der Notfallmeldungen an die beiden Abschnittsleiter.

Bild 7: Hubschrauber der Bundespolizei über dem überfluteten Stadtteil Kreuzberg im EA Ost

Die sieben Hubschrauber flogen die geretteten Menschen zum Simbacher Feuerwehrgeräthaus. Dort errichtete das BRK in der Fahrzeughalle einen Behandlungsplatz mit Feldbetten sowie eine Verpflegungsstelle.

Die Stadt Simbach a. Inn war ab dem Bruch des Straßendammes durchgängig zweigeteilt. Sämtliche Brücken über den Simbach waren komplett zerstört oder aufgrund fortgespülter Straßen unpassierbar. Aufgrund des reißenden Simbach war es noch nicht einmal möglich vom Westteil der Stadt in den Ostteil mittels Boote zu kommen. Daher konzentrierten sich die von Westen anfahrenden Einsatzkräfte zunächst auf die Menschenrettungen im Westteil der Stadt (Passauer Straße, Bachstraße, Wiesenstraße, Innstraße, Gartenstraße).

Bild 8: überflutete Innstraße in Blickrichtung zur Innbrücke nach Braunau

Die aus Österreich anrückenden Einsatzkräfte sammelten sich am Braunauer Stadtplatz bzw. auf der Innbrücke und führten Menschenrettungen vom deutschen Brückenkopf aus in Richtung Innstraße sowie von beiden Dammkronen des Inndamm in Richtung Gartenstraße und Austraße durch.

Der Stadtteil Kreuzberg im östlichen Teil der Stadt war zunächst auch mit Booten nicht mehr erreichbar. Mehrere Versuche dort Boote über die zerstörte Bundesstraße B 12 oder dem Inndamm in diesen Stadtteil zu verlegen, schlugen fehl. In den frühen Abendstunden gelang es österreichischen Kräften mit Booten vom Inndamm aus nach Kreuzberg vorzudringen. Wenig später konnten dann auch Boote über den östlich gelegenen Landkreis Passau in Richtung Kreuzberg zugeführt und zum Einsatz gebracht werden.

Bild 9: überflutete Gartenstraße Höhe der Hausnummern 9a bis 11c vom Inndamm aus gesehen

Am 1. Juni um 16:35 Uhr kam zudem eine Alarmierung „B5 Brand Schule“ herein. Demnach brannte es in der Mittelschule im Schulzentrum, in der noch hunderte Kinder mit ihren Lehrern ausharrten. Das Schulzentrum befindet sich im abgeschnittenen Ostteil der Stadt, sodass eine Anfahrt für die von Westen her alarmierten Einsatzkräfte unmöglich war. Der Löschzug der Simbacher Feuerwehr konnte nur aus vielen hundert Metern Entfernung eine Lage auf Sicht durchgeben. Daher wurden die nächstgelegenen Feuerwehren aus dem Landkreis Passau mit einer Anfahrt von 15 bis 20 Kilometer alarmiert. Glücklicherweise stellte sich die Feuermeldung als Fehlalarm heraus. Etwa 110 Schülerinnen und Schüler, die im Schulzentrum abgeschnitten waren, wurden am Abend zusammen mit ihren Lehrern über einen Trampelpfad und anschließend über die für Fahrzeuge nicht mehr befahrbare, aber ausreichend sicher begehbare, Bundesstraße B 12 zu einem nahegelegenen Einkaufscenter geführt, von wo sie von ihren Eltern abgeholt werden konnten. Die Unterstützungsgruppe Örtliche Einsatzleitung (UG-ÖEL) konnte erst gegen 22:00 Uhr nach Simbach wechseln, da sie zuvor im Schadensgebiet Triftern eingebunden und dort auch von den Wassermassen eingeschlossen war.

Am 2. Juni um 03:00 Uhr in der Nacht konnten die letzten Menschen aus dem Ortsteil Kreuzberg im Einsatzabschnitt Ost mit einem Boot in Sicherheit gebracht werden. Bis dahin wurden in Simbach alleine von deutscher Seite aus 410 Evakuierungen mit Booten durchgeführt, von diesen sind laut Rückmeldungen der Einsatzkräfte 97 Menschen aus akuter Lebensgefahr gerettet worden. Von österreichischer Seite wurden weitere 229 Evakuierungen mit Booten durchgeführt, auch davon eine Vielzahl aus unmittelbarer Lebensgefahr. Zusätzlich wurden 37 Menschen in Simbach mit Hubschraubern und den Luftrettern ausgeflogen. In Summe wurden also mindestens 676 Menschen evakuiert bzw. gerettet. Dies sind aber lediglich die belegbaren Zahlen. Die tatsächliche Anzahl dürfte noch deutlich höher liegen, da einige Einheiten nicht mitgezählt bzw. irgendwann das Zählen der geretteten Menschen aufgehört haben.

Weitere Einsatzmaßnahmen ab dem 2. Juni 2016
Mit folgenden Aufgaben waren die Einsatzkräfte betraut bzw. mit folgenden Problemen hatten sie während des ganzen Einsatzes zu kämpfen:

  • Am 2. Juni wurde das Stadtgebiet in die Einsatzabschnitte Ost, Mitte, West, B 12 und den übergreifenden Einsatzabschnitt Ölschaden aufgeteilt. Hierfür wurden Zugführer der Simbacher Feuerwehr als Einsatzabschnittsleiter eingesetzt. Die Funktion des Einsatzleiter Feuerwehr übernahm der damalige Simbacher Feuerwehrkommandant Markus Pilger.

Bild 10: Einsatzabschnitt Ost (Kreuzberg). Alles ist mit einer dicken Schlammschicht bedeckt

  • Die Simbacher Führungskräfte waren von 1. Juni bis 8. Juni im Einsatz und hatten teilweise mehr als zwei komplette Hilfeleistungskontingente unter ihrer Führung. Am Sonntag, dem 5. Juni, wurde daher die Simbacher Feuerwehr einschließlich der Führungskräfte für einen Tag aus dem Einsatz herausgelöst, um nach den physischen und psychischen Strapazen der vorausgegangenen Tage etwas Erholung tanken zu können. Die Feuerwehr Eggenfelden übernahm in der Zwischenzeit die Sicherstellung der Einsatzbereitschaft im Stadtgebiet. Führungskräfte umliegender Feuerwehren übernahmen derweil die Funktionen der Abschnittsleiter.
  • Die Einsatzkräfte führten am 2. Juni zunächst die Suche nach weiteren vermissten Personen durch. Dabei wurde jedes betroffene Haus und jedes Fahrzeug durchsucht und die Suche mit Farbe an den Außenwänden markiert. Es folgten Erkundungen nach Gefahren in den Gebäuden wie Heizöltanks, Einsturzgefährdung, PV-Anlagen, Erdgas, Reptilien etc.
  • Der durch den Dammbruch fortgeschwemmte Streckenabschnitt der Wilhelm-Dieß-Straße musste provisorisch aufgeschüttet werden, um den Stadtteil Kreuzberg wieder erreichen zu können. Ebenso musste die Innstraße auf Höhe des Eisenbahnviadukt, in der ein riesiger Krater ausgespült war, wieder notdürftig verschlossen werden, um die Zugänglichkeit zur südlichen Innstraße und Gartenstraße von Deutschland aus wieder herzustellen.

Bild 11: Wilhelm-Dieß-Straße im Bereich des Dammbruches wurde fortgeschwemmt

  • Beide Dammbrüche des Simbach im Bereich Passauer Straße und Wilhelm- Dieß-Straße mussten rasch wieder geschlossen werden.
  • Die Zugänglichkeit der überschwemmten und von Schlamm bedeckten Straßen war lange nur mit geländegängigen Fahrzeugen möglich. Dazu bekam die Feuerwehr auch Quads von Privatpersonen zur Verfügung gestellt, um die Gegenden rasch erkunden zu können.
  • Es gab zwei gerissene Erdgashauptleitungen mit Gasaustritt, freigelegte 20kV-Erdleitungen, sowie viele einsturzgefährdete Gebäude, welche im späteren Verlauf notabgerissen werden mussten, um die Einsatzkräfte und auch freiwilligen Helfer nicht zu gefährden.

Bild 12: frei liegende Versorgungsleitungen in der zerstörten Passauer Straße (gleiche Stelle wie Bild 2)

  • 1100 m³ Öl-Wasser-Gemisch aus Simbach wurden über die SEPCON-Anlage des THW getrennt, es konnten 250 m³ (250.000 Liter) reines Heizöl separiert werden und zur Entsorgung in die nahegelegene Raffinerie der OMV Deutschland GmbH nach Burghausen gebracht. Weitere 387 m³ Öl-Wasser-Gemisch wurden über andere Entsorgungsfirmen entsorgt.
  • Millionen Kubikmeter Wasser standen in den überschwemmten Feldern. Diese mittels Hochleistungspumpen abzupumpen hätte Wochen gedauert. Daher musste in den Inndamm eine Bresche geschlagen werden, um das Wasser in den Inn abfließen zu lassen.

Bild 13: Bresche im Inndamm zum Ableiten des Wassers aus der Innenstadt in den Inn

  • Die Wasserversorgung für die gesamte Stadt kam zum Erliegen, da die Trinkwasserbrunnen in der Au überflutet und die Quellen im Gebiet Hitzenau westlich von der Stadt durch Erdrutsche verunreinigt wurden. Dadurch war die komplette Wasserversorgung ausgefallen. Es mussten Trinkwasseraufbereitungsanlagen des THW aufgebaut werden. Nach wenigen Tagen hatten zumindest die nicht überschwemmten Stadtteile anfangs stundenweise, später dann fortdauernd wieder eine Wasserversorgung (Die Abkochverordnung wurde aber erst am 15. Juli 2016 wieder aufgehoben). Die von der Überflutung betroffenen Stadtteile mussten dagegen mehr als zweieinhalb Wochen ohne Wasser aus der Leitung auskommen.
  • Mit dem Ausfall der Wasserversorgung gab es auch keine Löschwasserversorgung. Im West- wie auch Ostteil der Stadt wurden mehrere TLF 4000 umliegender Feuerwehren stationiert, um den Brandschutz auf beiden Seiten des Simbach sicherzustellen.
  • Der Bevölkerung in den überfluteten Bereichen musste Brauchwasser zur Verfügung gestellt werden. Dazu wurden aus dem österreichischen Braunau zwei B-Leitungen über die Innbrücke nach Simbach verlegt und in die überfluteten Stadtteile gelegt. Zudem wurden zig 1000 L-Container (IBC) mit Brauchwasser aufgestellt und ständig durch Tanklöschfahrzeuge aufgefüllt.
  • Die Straßen mussten von zehntausenden Tonnen Schlamm befreit und dieser irgendwo gelagert werden. Ebenfalls mussten Zwischenlagerplätze für zehntausende Tonnen Sperrmüll gefunden werden. Viele hundert freiwillige LKW-Fahrer, Radladerfahrer und Landwirte mit Traktoren und Anhänger transportierten tagelang, vor allem nachts, tausende Ladungen Schlamm und Sperrmüll aus den überfluteten Gebieten heraus. Hierfür mussten mobile Tankstellen bereitgestellt, sowie viele platte Reifen ad hoc repariert werden.

Bild 14: Große Mengen Schlamm und Müll türmten sich in den Straßen (hier Passauer Straße)

  • Es gab Meldungen über Giftschlangen in überfluteten Gebäuden. Diese entpuppten sich schließlich als 20 Würgeschlangen.
  • Die Kanäle in den überfluteten Stadtteilen mussten aufwändig mit Saugwägen wieder frei gespült werden. Nach den Kanalspülungen kamen großen Mengen Öl in der Kläranlage an, da sich das Öl im Kanal getrennt hatte und dann konzentriert in großen Mengen im Vorfluter ankam.
  • In den ersten Tagen trocknete der Schlamm auf den Straßen und sorgte für eine große Staubbelastung. Die Straßen wurden daher mit TLF mit Bodensprühdüsen kontinuierlich befeuchtet.
  • Um die Abtransportarbeiten so effektiv wie möglich zu gestalten, mussten Einbahnstraßenregelungen umgesetzt werden.

Bild 15: Die Räumung der Straßen hatte eine hohe Priorität, dazu waren Einbahnregelungen erforderlich

  • Am ersten Wochenende mussten tausende freiwillige Helfer koordiniert werden. Für deren Privatautos, mit denen sie anreisten, mussten genügend Parkflächen zur Verfügung gestellt werden. Hierfür wurde ein 2 km langes Teilstück der Bundesstraße B 12 verwendet und zu einem Großparkplatz umgewandelt. Die B 12 war durch die massiven Hochwasserschäden bereits im Vorfeld für den fließenden Verkehr gesperrt worden, sodass diese Maßnahme relativ unkompliziert umgesetzt werden konnte.
  • Während der ersten Tage kam es im Umkreis von 20 km um Simbach zu einem Verkehrschaos aufgrund zahlreicher zerstörter Brücken und gesperrter Straßen. Hiervon betroffen waren auch Versorgungs- und Entsorgungsfahrzeuge, die ohne Sondersignalanlage ebenfalls im Stau stecken blieben, wie z.B. LKW mit Kies und Flussbausteinen zur Reparatur der zerstörten Dämme oder auch die mit Öl-Wasser-Gemisch beladenen Saugwägen auf dem Weg zu den Entsorgungsanlagen.
  • Die Feuerwehren unterstützten bei der sukzessiven Wiederherstellung der Infrastruktur, wie z.B. der Stromversorgung. Hierzu wurden sämtliche Elektroanlagen zusammen mit dem örtlichen Energieversorger mittels Tanklöschfahrzeuge vom Schlamm befreit.
  • Die Polizeiinspektion Simbach Inn wurde am 1. Juni ebenfalls überflutet und konnte nicht mehr besetzt werden. Die Polizei verlagerte daher kurzerhand ihre Inspektion ins Vorstandsbüro im Simbacher Feuerwehrgerätehaus und unterhielt hier über drei Wochen einen Notbetrieb.
  • Die Bundeswehr errichtete im Jugendraum im Simbacher Feuerwehrgerätehaus eine Operationszentrale (OPZ).
  • Die Bundeswehr musste auf dem Stadlecker Berg im Ortsteil Heinzelspitze einen Sandsackwall bauen, um den Eintrag von Regenwasser in die abgerissenen Hangkanten und damit weiteren Hangrutschen zu Bestens bewährt haben sich hier die hoch geländegängigen Fahrzeuge der Bundeswehr.
  • Bild 16: Sandsackwall auf dem Stadlecker Berg der nur mit geländegängigen Fahrzeugen erreichbar ist
  • Aber auch etliche weitere Hangrutsche, drohende Hangrutsche erschwerten die Arbeiten der Rettungskräfte. Hier kamen unter anderem Spezialgeräte des THW wie ein Schreitbagger zum Einsatz.
  • Mehrzweckfahrzeuge der Feuerwehren wurden über drei Wochen eingesetzt, um Verpflegung (Getränke und Essen) an die Verpflegungsstellen des BRK auszufahren, freiwillige Helfer vom Sammelpunkt am Bauhof in das Katastrophengebiet und zurückzufahren sowie betroffene Bürger als „Badetaxi“ zu öffentlich zur Verfügung gestellten Duschen zu fahren.
  • Das Simbacher Feuerwehrgerätehaus diente in den drei Wochen zudem als Behandlungsplatz und Notunterkunft für das BRK, Abschnittsführungsstelle mit Unterstützungsgruppe Örtliche Einsatzleitung (UG ÖEL) und Unterstützungsgruppe Sanitätseinsatzleitung (UG SanEL), Stabsraum, Unterkunft, Verpflegungsstation, Apotheke, Kleiderkammer, psychologische Erstbetreuung durch Ärzte der Rottal-Inn-Kliniken und anschließend des Malteser Hilfsdienstes.

Bild 17: Verpflegungsstelle des BRK und der Malteser im Simbacher Feuerwehrgerätehaus

  • Aufgrund der teilweise extremen physischen und psychischen Belastungen der Einsatzkräfte der Simbacher Feuerwehr, vor allem am ersten Tag, sowie in der ersten Woche wurde die Einsatznachsorge des Malteser Hilfsdienstes e.V. in Anspruch genommen. Etliche Kameradinnen und Kameraden der Simbacher Feuerwehr nahmen dies dankend entgegen.
  • Erstmals zum Einsatz gekommen war hier der sich noch nicht im Wirkbetrieb befindliche, aber bei den meisten Feuerwehren schon vorhandene TETRA-Digitalfunk. Die Kommunikation mittels Analogfunk wäre aufgrund der vielen betroffenen Katastrophengebiete mit nur einem analogen 4m-Sprechfunkkanal im Landkreis unweigerlich zum Erliegen gekommen. Ebenso wären die analogen Handsprechfunkgeräte bereits nach wenigen Stunden durch leere Akkus ausgefallen. So nahmen die Einsatzkräfte in Simbach bereits zu Beginn des Katastropheneinsatzes die neuen MRT und HRT in Betrieb und führten den Einsatz über TMO durch. Die Akkus der HRT hielten teilweise einen ganzen Tag trotz hohem Sprechfunkaufkommen. Das Mobilfunknetz war während des 1. Juni teilweise nicht mehr verfügbar. Mobiltelefone mit Touchscreen bereiteten zudem Probleme, da sie mit verschmutzten oder nassen Händen nicht mehr zu bedienen waren. Einsatzende für die Simbacher Feuerwehr war am Montag, dem 13. Juni, um 15:00 Uhr mit Abschluss der letzten Maßnahmen wie Keller auspumpen bzw. Ölbeseitigung. Der Katastrophenalarm wurde hingegen erst am 24. Juni um 12:00 Uhr aufgehoben. Der Einsatz für das THW dauerte noch bis 3. Juli.
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Bild 18: UG ÖEL und UG SanEL am Simbacher Feuerwehrgerätehaus

Kräfteübersicht:

 
Kräfte der Feuerwehren:

1. Hilfeleistungskontingente aus Niederbayern:
• 26 Feuerwehren aus dem Landkreis Deggendorf
• 55 Feuerwehren aus dem Landkreis Dingolfing-Landau
• 21 Feuerwehren aus dem Landkreis Freyung-Grafenau
• 13 Feuerwehren aus dem Landkreis Kelheim
• 24 Feuerwehren aus der Stadt Landshut und dem Landkreis Landshut
• 25 Feuerwehren aus der Stadt Passau und dem Landkreis Passau
• 13 Feuerwehren aus dem Landkreis Regen
• 26 Feuerwehren aus der Stadt Straubing und dem Landkreis Straubing-Bogen
• 128 Feuerwehren aus dem Landkreis Rottal-Inn

2. Hilfeleistungskontingente aus Oberbayern
• 22 Feuerwehren aus dem Landkreis Altötting

3. Hilfeleistungskontingente aus der Oberpfalz
• 13 Feuerwehren aus dem Landkreises Cham

4. Hilfeleistungskontingente aus Oberösterreich
• 30 Feuerwehren aus dem Bezirk Braunau

Summe vom 01.06.2016 bis 24.06.2016: 396 Feuerwehren
ca. 8600 Einsatzkräfte

Kräfte des Bayerischen Roten Kreuzes BRK, des Österreichischen Roten Kreuzes ÖRK sowie des Malteser Hilfsdienst e.V.:

Summe vom 01.06.2016 bis 19.06.2016: 870 Einsatzkräfte

Kräfte der Wasserrettung:

• 295 Einsatzkräfte der Wasserwacht
• 11 Einsatzkräfte der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG

Summe vom 01.06.2016 bis 19.06.2016: 306 Einsatzkräfte

Kräfte des Technischen Hilfswerkes:

• 54 Ortsverbände aus der gesamten Bundesrepublik Deutschland

Summe vom 01.06.2016 bis 03.07.2016: 2278 Einsatzkräfte

Kräfte der Bayerischen Polizei:

• 946 Beamte der Bayerischen Landespolizei
• 2161 Beamte der Bayerischen Bereitschaftspolizei

Summe vom 01.06.2016 bis 27.06.2016: 3107 Einsatzkräfte

Kräfte der Bundeswehr:

• 361 Soldaten des Panzerpionierbataillon 4 aus Bogen
• 20 Soldaten des Sanitätslehrregiment Feldkirchen
• 150 Soldaten des Panzergrenadierbataillon 112 aus Regen

Summe vom 05.06.2016 bis 10.06.2016: 531 Soldaten
(Hinweis: die Summen der o.g. Einsatzkräfte und Soldaten sind kumulierte Helfertage!)

Text: Markus Pilger, Feuerwehr Stadt Simbach a. Inn
Bildnachweis:
• Bilder 1, 2, 3, 9, 15, 16, 17, 18: Feuerwehr Simbach a. Inn
• Bilder 4, 6: THW OV Simbach a. Inn
• Bild 5: Walter Geiring, Simbach a. Inn
• Bilder 7, 8, 11, 12, 14: Martin Neubauer, Simbach a. Inn
• Bilder 10, 13: Thomas Klumbies, Simbach a. Inn
Bildergalerie:
• Feuerwehr Simbach a. Inn
• THW OV Simbach a. Inn
• Passauer Neue Presse, Tanja Brodschelm
• Thomas Klumbis, Simbach a. Inn
• Martin Neubauer, Simbach a. Inn

 

Wir bedanken uns recht herzlich bei den jeweiligen Fotografen
für die zur Verfügung gestellten Bilder auf unserer Homepage !

 

 

Ein zusammenfassendes Video vom Jahrtausendhochwasser in Simbach am Inn finden sie unter: www.hochwasserdialog.bayern.de/hw_schutz_in_bayern/hochwasserereignisse/index.htm